Wir kennen nicht den Geschmack der traditionellen Burgunder, jener Weine, die
bis vor 200 Jahren den Charakter des Burgunders ausgemacht haben.
Damals waren die Unterschiede zwischen den verschiedenen Weinbaugebieten weit
geringer als heute.Vermutlich waren die Weine eher leichtgewichtig und etwas
säuerlich, zudem waren sie für den baldigen Konsum bestimmt, da man
den Most nur kurze Zeit vergären ließ.
Obwohl man die Güte der verschiedenen Rebsorten erkannt hatte - Phillipe
le Hardi bezeichnete 1395 die Gamay-Rebe als "illoyal und unredlich" -
standen in ganz Burgund weiße Trauben willkürlich neben roten und
wurden auch gemeinsam verarbeitet.
Wichtige Schritte hin zum qualitativ anspruchsvolleren Burgunder wurden durch
die Anpflanzung von an den Boden
adaptierten Rebsorten wie Pinot Noir und
Chardonnay sowie die Unterscheidung in bessere und weniger gut exponierte
Lagen vollzogen.
Der 1795er ist der erste Jahrgang von Bedeutung. Verschiedene technische
Revolutionen hatten die damalige Weinwelt grundlegend verändert:
mit
Naturkork verschlossene Glasflaschen ermöglichten eine bessere Lagerung des
Weins und vor allem konnte der Flascheninhalt die konkrete Lagenbezeichnung
wie auch jene des Erzeugers oder selbst des Käufers aufweisen.
Auch verlangte die Entwicklung der Übersee-Märkte nach stabilen,
transportfähigen Weinen.
In Bordeaux entdeckte man den Segen des Ausschwefelns der Fässer, die
"allumettes hollandaises" haben den Charakter der Weine revolutioniert:
der neuzeitliche Bordeaux war geboren.
Die nun sehr lange Gärdauer
resultierte in tiefroten, gerbstoffbetonten Weinen mit großem Lagerpotential,
die sich bei den Konsumenten einer bisher nicht gekannten Beliebtheit erfreuten.
1795 war deshalb ein so interessantes Jahr, weil es auch in Burgund wegen seiner
außergewöhnlichen Reife trotz der traditionell kurzen Gärdauer
farbintensive und gehaltvolle Weine hervorbrachte.
Angespornt vom bordelaiser Erfolg und der positiven Resonanz auf die eigenen
Gewächse begann man nun auch hier die Fässer auszuschwefeln und die
Gärdauer zu verlängern. Um die Farbe zu intensivieren wurden
die Weißweinreben weitgehend durch den Pinot Noir ersetzt und
nunmehr getrennt vinifiziert.
Da die Weine dadurch lagerfähiger geworden waren, konnten sie nun
über Jahrzehnte hinweg ihren bis dahin nicht gekannten oder nur
angedeuteten Bodengeschmack ausprägen.
Diese Erkenntnisse erleichterten die Lagenklassifizierung. Die erste offizielle
burgundische Lagenklassifizierung wurde 1855 vorgenommen und seitdem nicht
in Frage gestellt...höchstens verwässert.
Die Reblauskatstrophe demotivierte die bis dahin engagierten Weinproduzenten
und ermöglichte deren Arbeitern auch renommierte Lagen zu erwerben.
Die Weine wurden an die Négociants verkauft, die die Weine unter ihren eigenen
Namen vermarkteten, mit der Folge, daß die Qualität sank.
Dies ermutigte ambitionierte Winzer wie Rousseau und Ponsot nicht mehr an den
Handel zu verkaufen und die Weine selbst als Domainabfüllung zu vermarkten.
Die Weinberge hatten sich bis zum II. Weltkrieg von der Reblaus erholt, so
daß es aus diesen Jahren noch bemerkenswerte Weine gibt. Eine weitere
Krise erlebte das Burgund im II. Weltkrieg aufgrund fehlender Arbeitskräfte
und vor allem in den darauffolgenden Jahren. Da die Weinberge in den 40er Jahren
nicht gepflegt werden konnten, waren sie in einem beklagenswerten Zustand. Die
Winzer sind dazu übergegangen, die Weinberge wenig arbeitsintensiv
zu pflegen und haben im Übermaß auf Fungizide und Düngemittel
zurückgegriffen, um auf den ausgelaugten Böden die Produktion wieder
zu steigern.
Aus diesen Jahren gibt es noch hervorragende Burgunder, die Grenze muß
man ca. mit dem Jahrgang 59 ziehen, erst dann begann die Weinqualität
deutlich sichtbar nachzulassen.
Zudem begann man die Weine zu filtrieren,
was damals nur selten gemacht wurde. Dies verfälschte den
urtümlichen Charakter des Burgunders und nivellierte seine
Individualität.
In den Jahren von 1960 bis selbst noch 1985, ist der Burgunder bei den
Massenherstellern zu einem gesichtslosen, austauschbaren und banalen
Getränk geworden. Nahezu alle technischen Errungenschaften wurden
eingesetzt, um den Wein kommerzieller und für die breite Masse leichter
konsumierbar erscheinen zu lassen. Auch durch maschinelle Lese und den Verzicht
auf eine "grüne" Lese (Reduzierung der Anzahl der Trauben im
Juli für qualitätsvollere Ernten) wurden die Erträge weiter zu
ungunsten der Qualität maximiert.
Doch seitdem hat ein Umdenken stattgefunden. Wiederum angespornt durch die
positive Entwicklung in Bordeaux und dem entsprechenden preislichen
Höhenflug, begannen die Winzer sich mehr auf ihre Tradition zu besinnen
und versuchen nun, diese mit der modernen Önologie zu verbinden.
Langfristig läßt sich noch nicht absehen, wie sich diese Weine
qualitativ entwicklen werden, doch bereiten sie auch in ihrer Jugend schon
viel Freude und es wird sehr interessant sein, diese Entwicklung mitzuverfolgen.
Wie wurde damals der Wein bereitet?
Von höchster Wichtigkeit war, daß das Lesegut vollkommen
ausreifen konnte.
Die Ernte muß damals ein Familienfest gewesen sein, bei dem sich
die Winzerfamilien darin zu überbieten suchten, die reifsten Trauben
zu lesen. Die mit Trauben gefüllten Weidenkörbe wurden mit
Leinentüchern abgedeckt, um das Lesegut zu schützen.
Es wurde nur selten entrappt, und falls doch, nur in weniger reifen Jahren
und dann ausschließlich per Hand, um nicht die empfindlichen Trauben
zu verletzen.
Die alkoholische Gärung dauerte 4-5 Tage, auf den Gärbehältern
waren hölzerne Gitter angebracht, um bei Bedarf den auf dem Most schwimmenden
festen Hut wieder nach unten zu drücken um die Extraktion aus den
Traubenschalen zu erhöhen.
Sobald die alkoholische Gärung einsetzte, wurde der Tresterhut 2-3 Mal
am Tag untergetaucht. Nach dieser Gärung wurde der Wein in Fässer
umgefüllt, die zu 3/4 mit Vorlaufwein und 1/4 mit Preßwein
gefüllt wurden.
Die dann einsetzende Milchsäuregärung verlief über mehrere
Wochen, selbst Monate.
Die Chaptalisation war zu dieser Zeit wenig angesehen, doch wurde sie
häufig und im Übermaß praktiziert.